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Ihr koennt es euch nicht vorstellen ...

Es war eine komplett andere Welt

Keine Zentralheizung, kein Bad und keine Dusche, keine Suedfruechte aus dem Supermarkt, auch keinen Kuehlschrank und kein Smartphone - nicht einmal ein Telefon gab es.

Ich lebte in meiner Kindheit in einer komplett anderen Welt, moechte man meinen. Was ich hier schildere muss fuer euch Enkel unglaublich klingen. Aber so war es in den 1960er Jahren in der deutschen Provinz. Aus heutiger Sicht ist vieles kaum vorstellbar. Dabei bewirtschafteten meine Eltern sogar einen der groessten Bauernhoefe und wir konnten uns mehr leisten als manch anderer Bewohner im Ort. Aber trotz aller Haerte, ich habe damals nicht viel vermisst und, damals in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg nicht selbstverstaendlich, es gab immer ausreichend und viel Frisches zu essen.

Schlittenfahrt mit unserem Pferdegespann
Meine Enkel haben mich gefragt: "Opa Manne, wie war das damals auf eurem Bauernhof. Hast du wirklich eine Schlittenfahrt mit euren Pferden gemacht?"

Ja, habe ich! Es gibt sogar ein Foto davon hier im Buch, (verzeiht bitte die schlechte Qualitaet - es wurde 1966 mit meiner einfachen, ersten Kamera aufgenommen). An einem eisig-kalten aber sonnigen Wintertag durfte ich, mit Erlaubnis meines Vaters, unsere Pferde vor den grossen Pferdeschlitten spannen. Mit ein paar Freunden bin ich dann, bei strahlend blauem Himmel, stundenlang durch die wunderbare Winterlandschaft, durch Felder und Waelder bei uns zu Hause gefahren. Aber so romantisch wie sich das jetzt anhoert war das Leben damals auf unserem Bauernhof nicht.

Es war ein einfaches Leben, hart und wenig komfortabel. Ihr Enkel seid in grossen Staedten aufgewachsen, im 21. Jahrhundert, mit allem Komfort und modernster Technik. Ich verstehe, wenn ihr euch kaum vorstellen koennt wie es war, damals, vor mehr als 70 Jahren.

Umso mehr freut es mich, dass es euch interessiert wie wir - und eigentlich alle Leute im Dorf - damals lebten. Gerne schildere ich euch, wie ich meine Kindheit empfand. Ihr werdet ueberrascht sein! Ich erinnere mich noch gut und es sind alles wahre Erlebnisse.

Bis in die 1960er Jahre war das Dorf mit 309 Einwohnern (Stand 1961) quasi Selbstversorger. Alle Lebensmittel wurden innerhalb der Ortsgrenzen produziert. Nicht nur die Kartoffeln, das Gemuese, Obst und die Trauben (und damit auch der Most und der Wein). Auch der Weizen und Roggen kamen von den oertlichen Bauern. Das Getreide wurde vom lokalen Mueller zu Mehl verarbeitet aus dem unser Baecker im Ort das beste Sauerteigbrot backte, das ich je gegessen habe.

Alle erforderlichen Dienstleistungen, vom Maurer, Schreiner, Schuhmacher bis zum Frisoer und Uhrmacher wurden von den Dorfbewohnern selbst erbracht ...
Aber dazu weiter unten mehr. Zuerst ein paar Saetze zum Leben auf unserem Hof.

Unser Bauernhof

EIN TYPISCH FRAENKISCHER BAUERNHOF
Als Kind hatte ich eine gute Zeit auf unserem Bauernhof. Er bot viel Platz und tolle Moeglichkeiten mich spielend zu entfalten. Je aelter ich wurde, desto mehr wurde mir jedoch klar, wie hart und entbehrungsreich das Leben wirklich war.

Neben unserem, 1882 aus schweren Muschelkalksteinen sehr solide gebauten Wohnhaus befindet sich noch heute die grosse Scheune, genauso wie die hinter dem Haus liegende Maschinenhalle und der Gemuesegarten. Mein Bruder Walter mit seiner Familie wohnt heute im Wohnhaus und nutzt auch die anderen Gebauude. Er hat das Wohnhaus modernisiert und ausgebaut. Landwirtschaftlich tut sich hier allerdings heute nichts mehr.

Die grosse Esskueche befindet sich im Erdgeschoss zur Strassenseite hin, gleich rechts neben dem Hauseingang. Dahinter war in meiner Kindheit die grosse Waschkueche mit dem Backofen, einigen Regalen und einer Toilette. Letztere wurde erst 1976 vom Plumpsklo in ein Wasserkloset umgebaut.

Fliessendes Wasser gab es nur, weil sich das Dorf zusammentat und von einer Quelle eine ueber zwei Kilometer lange Versorgungsleitung in die Haeuser im Dorf verlegte. Es gab aber keinen kommunalen Abwasseranschluss. Alles was aus unseren Toiletten und den Waschbecken ablief, floss direkt in unsere Jauchegrube.

Der Wohnkomfort war bescheiden. Nichts fuer Warmduscher. Im Winter war es allein in unserer Kueche warm. Nur an Sonntagen wurde auch in der Wohnstube im ersten Stock eingeheizt. Der fuer das grosse Wohnzimmer viel zu kleine, holzbefeuerte Ofen wurde an eisigen Tagen so kraeftig eingeheizt, dass nicht selten die Ofenrohre gefaehrlich rotgluehend heiss wurden.

Nachts liessen wir das Feuer ausgehen und so wurde es, auch wegen der schlechten Isolierung, bis zum Morgen wieder entsetzlich kalt und zwar in allen Räumen. Ich erinnere mich an die dicken Eisblumen an den Fensterscheiben meines Schlafzimmers. Innen an der Fensterscheibe bildete sich Eis so dick, dass es auch tagsueber ganz dunkel war im Zimmer. Manchmal habe ich mit den Fingernaegeln meinen Namen oder ein Herz in das Eis geritzt.

Es gab auch kein Bad und keine Dusche

Wir hatten auch kein Badezimmer. Ich wuesste nicht ob damals überhaupt jemand im Dorf ein Badezimmer hatte, das den Namen verdiente. Für euch Enkel ist das heute so selbstverstaendlich, einschliesslich 24/7 verfuegbarem Warmwasser und natuerlich einer Zentralheizung.

In der kaum genutzten Kueche im ersten Stock stand eine grosse Blechbadewanne. Meistens an einem Samstagnachmittag, aber auch nicht jeden, wurde in der Kueche im Erdgeschoss in grossen Toepfen Wasser aufgewaermt und in Eimern nach oben getragen. Nachdem unser Vater darin gebadet hatte, kamen wir Kinder dran.

Die Zaehne haben wir uns alle am Waschbecken in der Kueche geputzt. Die taegliche Koerperpflege war mehr eine "Katzenwaesche" und beschraenkte sich auf Gesicht und Oberkoerper mit einem feuchten Waschlappen. Stellt euch nun vor, wie heiss und staubig es im Sommer in der Erntezeit war. Besonders der Gerstenstaub war unausstehlich, kratzte am ganzen Koerper. Trotzdem, mein Hemd und die Unterwaesche konnte ich nicht taeglich wechseln. Ich musste mir das schmutzige Hemd vom Vortag, in dem noch die ekligen Gerstengrannen hingen, erneut anziehen. Im Sommer, wenn es draussen angenehm warm war, konnte ich im Freien einen Wasserschlauch nehmen und duschen. Gelegentlich habe ich auch am nahen Muehlbach oder in der Tauber gebadet. Meist war es nach der Arbeit aber schon zu spaet und dunkel, meist war ich einfach zu muede zum Baden.

Das sind Erlebnisse aus meiner Kindheit, die ich mir heute gar nicht mehr vorstellen mag. Damals aber war das normal. Und alle in der Familie und im Dorf lebten so. Ich hatte auch keine Vergleichsmoeglichkeiten und akzeptierte die Situation so wie sie war. Ich kannte es nicht besser. Es ist ein Teil meiner Kindheit.

Ihr Enkel habt in euren Schlafzimmern ganz selbstverstaendlich eine moderne Zentralheizung. Auch an eisigen Wintertagen habt ihr es angenehm warm. Versetzt euch nun in das Jahr 1960. Stellt euch vor es ist Winter auf unserem Bauernhof. Es liegt tiefer Schnee und die Temperaturen liegen unter null. In meinem Schlafzimmer gab es keine Heizmoeglichkeit. Im Winter ging ich daher abends immer mit einer Waermflasche ins Bett. Nur so konnte ich einschlafen. Die schweren Federbetten in meinem Schlafzimmer unter dem Dach waren immer furchtbar kalt. Nicht nur das, auch noch feucht.

Das Erdgeschoss des Wohnhauses ist etwa zur Haelfte unterkellert. Dieser Keller ersetzte den Kuehlschrank. Hier lagerten frueher die Mostfaesser, der Sauerkrautbottich, diverse Einmachglaeser mit Gurken und Tomaten sowie die in Blechdosen konservierten Fleisch- und Wurstwaren aus unserer Hausschlachtung.

Wir hatten lange keinen Kuehlschrank auf dem Hof. In den 1960er Jahren wurde eine Gemeinschafts-Tiefkuehlanlage im Keller des benachbarten Schosses eingerichtet. Etwa 30 Familien im Dorf organisierten sich und kauften eine riesige Gefrieranlage, die in 30 von oben zugaengige, separate und verschliessbare, Kuehlfaecher unterteilt war. Im Turnus hatte jede Woche ein anderes Mitglied der Anlage Reinigungsdienst und musste mit Eimern und Wischmopp zum Putzen anruecken.

Im ersten Stock unseres Hauses befanden sich das Wohnzimmer (die "gute Stube"), vier Schlafzimmer sowie eine in der Nachkriegszeit von Fluechtlingen genutzte Kueche mit Lagerraum und Raeucherkammer sowie einer weiteren Toilette.

Ganz oben im zweiten Obergeschoss (mit Dachschraege) befanden sich die Getreidespeicher. Hier wurde im Herbst nach dem Dreschen ein Teil unseres Weizens, Roggens und Hafers lose gelagert. Daneben gab es hier oben noch drei Zimmer. Eines davon habe ich mir mit 12 Jahren zu meinem Schlafzimmer und Rueckzugsort eingerichtet. Auch noch waehrend meiner vielen Jahre im Ausland konnte ich dieses Zimmer als Basislager nutzen und einige persoenliche Dinge hier aufbewahren.

Uebrigens, ich habe noch nicht erwaehnt, dass sich der Kuhstall, ganz traditionell, im Erdgeschoss des Wohnhauses befand. Wenn man vor dem Hauseingang stand, war der Stall auf der linken Seite. Die sechs Milchkuehe mit Kaelbern und einigen Mastbullen waren daher umstaendlich und nur mit langen Wegen zeitaufwaendig zu versorgen. Die Milch wurde an die Molkerei verkauft. Ein geringer Teil wurde ab Hof veraeussert und in unserer eigenen Kueche zum Kochen, Backen und gelegentlich auch zur Herstellung eigener Butter verwandt.

Und manchmal gab es eine Leckerei aus dieser, wie ich fand, koestlichen und fettreichen Milch fuer mich. Meine Oma machte mir, wenn es wieder einmal sehr kalt war, oder sie mich aufmuntern oder belohnen wollte, zum Geburtstag oder an Weihnachten etwa, einen heissen Kakao daraus. Sie wusste, dass ich den besonders gerne mochte ...